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Von der Todessehnsucht der Romantik bis zu Trump

    Romantik ist kein Essen bei Kerzenlicht

    Was verbindest du mit Romantik? Vielleicht denkst du an Sonnenuntergänge, Kerzenschein und schöne Gefühle. Aber was, wenn die geschichtliche Epoche der Romantik mit diesem Bild wenig zu tun hat? Was, wenn sie nicht nur von Liebe und Natur handelte, sondern auch von einer dunklen Seite – von Sehnsucht nach dem Tod, Krankheit und tiefer Melancholie? Für die jungen Männer der Romantik war der Tod oft kein Ende, sondern eine Erlösung.

    Wie kommt es, dass eine ganze Generation davon träumte, aus dem Leben zu fliehen? Und warum sind diese Gedanken nicht einfach nur Geschichte, sondern beeinflussen unsere Gegenwart – bis hin zu den großen Konflikten und Figuren wie Trump?

    Um das zu verstehen, müssen wir zunächst zurückblicken. Denn die Romantik war eine Reaktion – auf die Zeit der Aufklärung, die ihr vorausging. Und genau dort setzen wir an.

    Die Aufklärung: Vernunft als Wegweiser der Welt

    Stell dir vor, du lebst in einer Zeit, in der alles mit dem Glauben an Gott erklärt wird. Es gibt kaum Platz für Fragen, die nicht in der Bibel beantwortet sind. Aber dann fangen Menschen an, sich zu fragen: „Ist das wirklich so? Können wir die Welt nicht selbst verstehen?“

    Die Aufklärung war wie ein Aufwachen nach einem langen Schlaf. Menschen schauten zurück auf die alten Griechen, die schon lange vor dem Christentum über die Welt nachgedacht hatten – über Philosophie, Kunst und Wissenschaft. Sie fragten sich: „Warum haben wir all das vergessen? Warum dürfen wir nicht mehr so frei denken wie damals?“

    Was wollte die Aufklärung?

    Die Aufklärer wollten mit Vernunft und klarem Denken die Welt besser verstehen. Statt einfach an Mythen oder unbewiesene Geschichten zu glauben, sagten sie: „Zeig mir einen Beweis! Erklär mir, warum etwas so ist!“ Zahlen, Experimente und Beweise wurden für sie wichtig. Sie wollten die Natur entschlüsseln und begreifen, wie alles funktioniert.

    Das Ziel der Aufklärung war, die Welt ohne Angst und ohne blinden Glauben zu erforschen. Sie wollten Freiheit für den Kopf – und für das Denken, das durch eigene Kraft Erkenntnisse finden kann.

    Alles sollte berechenbar sein, auch der Mensch. Die Idee dahinter: Wenn man die Welt durch Vernunft versteht, kann man sie besser machen. Religion? Die wurde stark kritisiert, denn die Denker der Aufklärung sahen darin eine manipulative Herrschaft über den Menschen, die seine selbstbestimmte Vernunft bekämpft. Der Mensch sollte sich befreien von dem Dogma göttlicher Wahrheit und seine eigene weltliche Wahrheitsfähigkeit wieder entdecken. Von der Kirche forderten sie statt blinden Glaubens Beweise – und das gefiel den Kirchen natürlich gar nicht.

    Die Romantik: Zurück zu Gefühl und Natur

    Doch wie reagieren Menschen, vor allem junge Menschen, wenn alles nur noch berechnet und analysiert wird? Genau: Sie sehnen sich nach dem, was man nicht in Formeln packen kann. Das war die Geburtsstunde der Romantik. Plötzlich wurden Gefühle wichtiger als Zahlen, Träume wichtiger als Fakten. Die Romantiker tauchten tief in die Welt der Fantasie und des Unbewussten ein. Sie glaubten, dass die Wahrheit nicht in der „kalten Rationalität“, sondern im Herzen und im Glauben zu finden sei.

    Ihr Blick wandte sich auch der Natur zu. Aber nicht als etwas, das man beherrschen oder ausbeuten sollte, sondern als etwas Geheimnisvolles, fast Heiliges, ein Teil des Leib Gottes. Wälder wurden zu Orten der Inspiration des Glaubens, Berge zu Symbolen für das Erhabene, das der Mensch nicht kontrollieren kann. Und weil sie die Aufklärung als zu kalt empfanden, suchten viele Romantiker wieder Halt im Christentum. Sie sahen im Glauben eine Möglichkeit, das Leben mit Sinn und Mystik zu füllen – etwas, das die Aufklärung ihrer Meinung nach verloren hatte. Natur wurde zum göttlich-heiligen und gleichzeitig zum Hort des irrationalen Dunklen, des Bösen.

    Die Romantik war also eine Rückkehr zu allem, was die Aufklärung überwinden wollte: Gefühl, Glaube und Irrationalität.

    Die Romantik und die Sehnsucht nach dem Tod

    Die Romantik war nicht nur eine Zeit der Gefühle, Träume und der Schönheit der Natur – sie war auch zutiefst von einer dunklen Melancholie durchzogen. Viele Romantiker sahen das Leben als einen schmerzhaften Kampf, geprägt von Leid, Enttäuschungen und der Sündhaftigkeit der Welt. Der Tod wurde in diesem Zusammenhang nicht als etwas Endgültiges oder Beängstigendes gesehen, sondern vielmehr als eine Art Erlösung. Er versprach den Ausweg aus einer unvollkommenen, oft als böse empfundenen Realität und eröffnete die Möglichkeit, in eine bessere, reinere Welt einzutreten – eine Welt, die viele Romantiker mit dem Himmelreich des Christentums verbanden.

    Natur: Schönheit und Übergang

    Doch wie passt das Bild der schönen, fast heiligen Natur der Romantik zu dieser Todessehnsucht? Die Natur war für die Romantiker einerseits ein Zufluchtsort, ein Gegenpol zur harten Rationalität der Aufklärung und zur Kälte der Städte und Industrialisierung. Sie sahen in ihr die Spuren des Göttlichen, das Verborgene und Geheimnisvolle, das der Mensch nie vollständig ergründen konnte.

    Andererseits war die Natur auch ein Symbol des Übergangs. Sie erinnerte daran, dass alles Vergänglichkeit ist – der ewige Wechsel von Werden und Vergehen. Gerade ihre Schönheit verstärkte die Sehnsucht nach einer höheren, zeitlosen Welt. Für die Romantiker war die Natur nicht nur ein Ort der Inspiration, sondern auch ein leiser Hinweis auf das Jenseits. Sie verband die Erde mit dem Himmel, das Leben mit dem Tod.

    Die Romantiker wollten die Natur nicht beherrschen, sondern sie fühlend durchdringen – um durch ihre Schönheit und Erhabenheit das Ewige zu erahnen. Der Tod war für sie der letzte Schritt, um endgültig aus den Begrenzungen der irdischen Welt befreit zu werden. So wurden Natur und Todessehnsucht zwei Seiten derselben Medaille: die eine zeigte die vergängliche Schönheit des Lebens, die andere das Versprechen der Erlösung.

    Die romantische Todessehnsucht

    Die Faszination für den Tod war die Sehnsucht nach Erlösung aus dieser bösen Welt. Der Tod war für die Romantiker nicht ein Ende, sondern ein Ziel, ein Zustand, der alle Widersprüche auflöste. Der englische Historiker Gordon A. Craig beschreibt diese Todessehnsucht als elementaren Bestandteil der romantischen Denkweise:

    „Der Schrecken, der unter der Oberfläche lauerte, war ein wesentlicher Bestandteil der romantischen Welt und vielleicht der wichtigste. Es war zweifellos etwas Krankes an der Beschäftigung der Romantiker mit einer Welt jenseits der Grenzen unserer irdischen Welt, in der gute und böse Geister waren. Es offenbarte die Ablehnung einer Verantwortung für die Probleme des wirklichen Lebens. Noch beunruhigender war die Todesfaszination, die in der ersten Romantikergeneration so deutlich zum Vorschein kam.“

    Auch der Literat Eichendorff beschreibt dieses Gefühl der Todessehnsucht. Er verbindet es mit der Natur, wie in seinem Gedicht, in dem der Wanderer zum Tod eingeladen wird:

    „Wanderer, du müder, du bist zu Haus,
    Die Treu ist hier, sollst liegen bei mir,
    Bis das Meer will trinken die Bächlein.“

    Der Tod war für die Romantiker kein passives Ereignis. Der deutsche Dichter Ludwig Tieck geht sogar so weit, die aktive Suche nach dem Tod in Verbindung mit derm Krieg zu verherrlichen:

    „Die Menschen müssen sich selbst untereinander töten, das ist edler, als durchs Schicksal fallen. Sie suchen den Tod. Ehre, Ruhm usw. ist des Krieges Lust und Leben. Im Tode und als Schatten lebt der Krieger. Todeslust ist Kriegergeist, romantisches Leben des Kriegers. Auf Erden ist der Krieg zu Hause, Krieg muss auf Erden sein.“

    Hier wird deutlich, wie die romantische Idealisierung des Todes in den Militarismus und später in die Gewaltideologie des 20. Jahrhunderts mündet.

    Die Romantik war die „deutsche Krankheit“

    In seinem Buch über die Deutschen befasste sich Craig intensiv mit der deutschen Romantik. Er sah in dieser Epoche eine gefährliche Mischung:

    „Unter der Kombination von Anarchismus und Schwärmerei … schlummerten Kräfte des Schreckens, der Gewalttätigkeit und des Todes.“

    Von den Franzosen wurde die Romantik als „le malaise allemand“ – die deutsche Krankheit – wahrgenommen. Craig zieht die Linie bis in die Gegenwart – und hebt hervor, wie die romantische Weltanschauung ihren Einfluss auf den Nationalsozialismus ausübte:

    „Mit der Zeit lernten die Franzosen die Romantik als le malaise allemand (die deutsche Krankheit) zu sehen und zu erkennen, welchen Einfluss sie auf den Aufstieg Adolf Hitlers ausgeübt hat. Wir müssen jedoch nicht bei Hitler stehenbleiben, denn die Romantik hat im gegenwärtigen Deutschland erkennbare und beunruhigende Formen angenommen.“

    Wenn wir die Gegenwart verstehen wollen, müssen wir in die Vergangenheit schauen. Bis heute beeinflussen uns aus dem Geist der Romantik heraus der Ruf nach autoritärer Gewalt und religiösen Endzeitvorstellungen.

    Von der Romantik zum Nationalsozialismus

    Die Romantik liefert die ideologischen Grundlagen für die totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Craig sieht eine klare Linie von der romantischen Todessehnsucht hin zum Nationalsozialismus. Der Tod war „als letztlicher Löser aller Probleme stets gegenwärtig“.

    Auch bei dem Schriftsteller Joseph von Eichendorff lesen wir in seinem berühmten Werk der Romantik „Ahnung und Gegenwart“, wie aus dem romantischen Zauber die Katastrophe wird:

    „Kometen und wunderbare Himmelszeichen zeigen sich wieder, alles weist wie mit blutigen Fingern warnend auf ein großes, unvermeidliches Unglück hin. Unsere Jugend erfreut kein sorglos leichtes Spiel, keine fröhliche Ruhe wie unsere Väter, uns hat frühe der Ernst des Lebens gefasst. Im Kampfe sind wir geboren, und im Kampf werden wir, überwunden oder triumphierend, untergehn. Denn aus dem Zauberrauch unserer Bildung wird sich ein Kriegsgespenst gestalten. Geharnischt, mit bleichem Totengesicht und blutigen Haaren.“

    Romantik heute: Trump und die neue Rechte

    Die Romantik ist kein Relikt der Vergangenheit. Craig weist darauf hin, dass ihre Gedankenwelt auch heute wiederkehrt, besonders in autoritären und religiösen Bewegungen wie der um Trump. Die Todessehnsucht hat sich zu einer religiösen Endzeitstimmung entwickelt. Die romantische Erlösungssehnsucht spiegelt sich in der Verklärung eines Anführers wider, der als Messias verehrt wird.

    Die Todessehnsucht hängt mit dem christlichen Glauben zusammen, der diese Welt als Welt der Sünde begreift und Erlösung erst nach dem Tod ermöglicht. Kollektiv gesprochen geht es auch nicht nur um den Tod des einzelnen Menschen, sondern um den Weltuntergang als Ende und Ziel der Heilsgeschichte. Dieser Weltuntergang aber hat zur Bedingung, dass der Herr in Form seines Sohnes Jesus wiederkehrt und von seinen Gläubigen erkannt wird. Deshalb ist die Frage so wichtig, wer der wahre Messias ist und in welcher Gestalt er sich den Menschen zeigt. Nur die wahren Gläubigen werden ihn erkennen.

    In den USA zeigt sich diese Dynamik besonders deutlich. Trump wird von seinen Anhängern als Retter gefeiert, der endlich den „wahren Glauben“ zurückbringen soll. Doch diese Bewegung ist nicht nur politisch, sie ist tief religiös durchdrungen. Es geht um die Frage: Wer gehört zu den Erwählten, wer zu den Verworfenen? In dieser christlichen Weltanschauung werden Frauen, Minderheiten und Andersdenkende als Bedrohung dargestellt.

    Tiecks Worte scheinen erschreckend aktuell:

    „Auf Erden ist der Krieg zu Hause, Krieg muss auf Erden sein.“

    Fazit: Die gefährlichen Elemente der Romantik gefährden noch heute unsere Demokratien

    Die Romantik war nie eine sanfte Sehnsucht nach Schönheit, Natur und Gefühlen. Sie trug von Anfang an eine dunkle Seite in sich: die Todessehnsucht, die Ablehnung der Vernunft und den Wunsch nach einer Erlösung, die oft Zerstörung und Unterwerfung verlangte. Diese Gedankenwelt blieb nicht auf die Epoche der Romantik beschränkt. Sie wurde zu einer Grundlage für totalitäre Ideologien, die bis ins 20. Jahrhundert wirkten – und ihre Spuren reichen bis heute.

    Die romantische Verklärung des Todes als „Erlösung“ verbindet sich mit religiösen Weltanschauungen, die diese Welt als sündhaft und verdorben betrachten. In autoritären Bewegungen wie der um Trump wird dieser Geist erneut sichtbar: der Wunsch nach einem „starken Anführer“, der als Messias gesehen wird, und die scharfe Abgrenzung zwischen den „Auserwählten“ und den „Verworfenen“.

    Romantik, so harmlos sie uns im Alltag erscheinen mag, bleibt eine Epoche, die Gefühle über die Vernunft stellt, Konflikte mystifiziert und Lösungen in einer Endzeitvision sucht. Sie zeigt, wie gefährlich es ist, die Realität durch die Linse des Irrationalen zu betrachten. Wer die Gegenwart verstehen will, muss erkennen, wie sehr die Vergangenheit – und speziell die Romantik – in unser Denken hineinwirkt und unsere Demokratie gefährdet.

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