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Warum wollen die Reichen immer reicher werden? – Eine Spurensuche im Calvinismus

    „Die Reichen werden immer reicher, und die Armen bleiben arm.“

    Ein Satz, den wir oft hören.

    Aber warum ist das so? Liegt es an den Systemen? An fehlender Umverteilung? Oder vielleicht doch an den Werten, die tief in unserer Gesellschaft verankert sind?

    Tatsächlich gibt es eine religiöse Strömung, die diese Denkweise über Jahrhunderte geprägt hat: den Calvinismus.

    Lasst uns gemeinsam einen Blick darauf werfen, was der Calvinismus ist und wie er bis heute unser Denken beeinflusst – gerade in einer neoliberalen Welt.

    Was ist der Calvinismus?

    Der Calvinismus geht auf den Reformator Johannes Calvin (1509–1564) zurück. Eine seiner zentralen Lehren ist die sogenannte Prädeterminationslehre:

    • Nach Calvin ist alles von Gott vorherbestimmt – einschließlich des ewigen Schicksals jedes Menschen.
    • Manche sind von Gott „auserwählt“ (für das Heil), andere nicht. Diese Auserwählung kann der Mensch weder beeinflussen noch ändern.

    Reichtum als göttliches Zeichen

    Für Calvinisten wird Reichtum oft als ein Zeichen von Gottes Gnade interpretiert:

    • Wer erfolgreich ist und viel besitzt, zeigt damit, dass er zu den Auserwählten gehört.
    • Armut hingegen wird als eine Folge fehlender Gnade angesehen – ein Indikator dafür, dass jemand „nicht erwählt“ ist.

    Dieses Denken hat tiefgreifende Spuren hinterlassen. In calvinistisch geprägten Gesellschaften, besonders in den USA, gilt wirtschaftlicher Erfolg bis heute als moralisch gut.

    „Jeder ist seines Glückes Schmied“

    Der Satz spiegelt diese Mentalität wider.

    Der Einfluss auf die USA und den Neoliberalismus

    Wusstest du, dass in den USA rund 30 Millionen Menschen calvinistischen Kirchen angehören? Diese Überzeugungen prägen nicht nur viele Einzelne, sondern auch die politische und wirtschaftliche Kultur des Landes. Der Kapitalismus – insbesondere in seiner neoliberalen Form – hat hier Parallelen:

    • Erfolg zählt mehr als Mitgefühl: Wer reich ist, gilt als fleißig und „würdig“.
    • Soziale Unterstützung wird abgelehnt: Hilfe für Arme wird oft als unnötig oder schädlich angesehen, da sie „faul“ sein könnten.
    • Der Markt als oberste Instanz: Die freie Marktwirtschaft wird fast religiös verehrt – ähnlich wie die calvinistische Vorstellung einer höheren, vorherbestimmten Ordnung.

    Was bedeutet das für uns heute?

    Dieses Denken, das im Calvinismus wurzelt, zeigt sich auch in der neoliberalen Politik, die wir heute erleben:

    • Steuererleichterungen für Reiche.
    • Wenig soziale Absicherung für diejenigen, die es am nötigsten haben.
    • Die Vorstellung, dass „Leistung“ allein über den Wert eines Menschen entscheidet.

    Doch hier liegt das Problem: Nicht jeder hat die gleichen Startbedingungen. Der Kapitalismus – besonders in seiner extremen Form – verstärkt Ungleichheit, statt sie zu beseitigen. Er legitimiert sie sogar, indem er die Schuld auf die Schwachen selbst abwälzt.

    Was können wir daraus lernen?

    Wir sollten unseren Blick auf Erfolg und Reichtum hinterfragen. Ist Reichtum wirklich ein Zeichen von Tugend? Oder zeigt er vielmehr die Ungleichheit eines Systems?

    Was können wir tun:

    • Mitgefühl statt Verurteilung: Armut ist kein persönliches Versagen, sondern die Folge von kapitalistischen Strukturen.
    • Gemeinschaft statt Wettbewerb: Der Wert eines Menschen liegt nicht in seinem Kontostand, sondern in seiner Fähigkeit, zu einer gerechten und menschlichen Gesellschaft beizutragen.

    Mein Impuls für dich:
    Schau doch mal in deinem Alltag, wo diese calvinistische Denkweise vielleicht unbewusst auftaucht. Glaubst du manchmal, dass Erfolg allein vom eigenen Fleiß abhängt? Oder dass diejenigen, die „weniger haben“, einfach „weniger getan“ haben? Diese Reflexion kann helfen, die Welt mit neuen Augen zu sehen.

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