Zum Inhalt springen

Glück ist Muße – Warum die Arbeit uns krank macht und die Philosophie einen Ausweg zeigt

    Sind wir wirklich glücklicher, je härter wir arbeiten? Je mehr wir „malochen“? Und je mehr Dinge wir uns leisten können? Wenn wir ehrlich auf unsere Gesellschaft schauen – auf den Anstieg von Ängsten, Depressionen, Erschöpfungskrankheiten wie Fatigue oder Long Covid – dann drängt sich eine unbequeme Antwort auf: Nein, das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

    Irgendetwas läuft fundamental schief.

    Diese moderne Erschöpfung ist kein Zufall. Sie fühlt sich an, als würden wir – ähnlich wie Tiere in nicht artgerechter Haltung – von etwas Wichtigem entfremdet. Von uns selbst, voneinander, von der Natur.

    Aber woher kommt diese seltsame Idee, dass Glück in harter Arbeit liegt? Und was meinten die alten Philosophen, wenn sie sagten: Glück ist Muße?

    Die alte Weisheit: Glück liegt in der Muße

    Bei den alten Griechen gab es tatsächlich die Erkenntnis: Ein humanes Leben – ein wirklich menschliches, erfülltes Leben – braucht Muße.

    Aber Achtung: Muße meinte nicht Faulenzen! Muße (im Griechischen z.B. Scholé, wovon auch das Wort „Schule“ kommt) war die Zeit und der Raum für das freie Denken, für Bildung, für den Dialog, für das Gestalten der Gemeinschaft, für das Leben im Einklang mit sich und der Welt. Es war die Zeit für all das, was man nicht tun musste, um nur zu überleben, sondern was man tat, um gut zu leben. Selbstbestimmt.

    Diese Vorstellung war tief verwurzelt. Man denke an die alten indigenen Völker, die du erwähnst: Ihre tägliche Arbeit war oft eng mit ihrem Denken, ihrem Weltbild, ihrer Vorstellung vom harmonischen Kosmos verbunden. Sie sahen sich selbst als Teil davon, nicht als Herrscher, die sich alles untertan machen mussten. Ihre Arbeit war in gewisser Weise Muße, weil sie sinnvoll, verbunden und selbstbestimmt war.

    Die moderne Verkehrung: Arbeit als Strafe und Entfremdung

    Unsere heutige Gesellschaft hat diese alte Weisheit ins genaue Gegenteil verkehrt. Muße gilt als Faulheit. Faulheit ist schlecht, sie führt angeblich zu Unglück. Und nur Arbeit macht glücklich.

    Aber welche Art von Arbeit meinen wir da eigentlich? Wir meinen mit „Arbeit“ das, was treffend als „Maloche“ bezeichnet wird, es ist kapitalistische Arbeit. Das ist Arbeit, die primär dem Zweck dient, Geld zu verdienen – oft fremdbestimmt, sinn-entleert und im Widerspruch zu Mensch und Natur.

    Dieses Verständnis von Arbeit als Plackerei hat tiefe historische Wurzeln, die interessanterweise Religion und Wirtschaft verbinden:

    • Die religiöse Wurzel: Im Christentum (speziell in bestimmten Interpretationen) findet sich die Idee, dass harte Arbeit eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschen ist. Nach dem Paradies hieß es (sinngemäß aus der Bibel): Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen. Die Natur wird verflucht, der Mensch soll sie sich „untertan machen“ (wie in Gen 1,28) – ein Ruf nach Beherrschung und Ausbeutung, nicht nach harmonischer Einheit.
    • Die kapitalistische Wurzel: Der Kapitalismus baut auf dieser Vorstellung auf und formt sie um. Arbeit wird zur zentralen Pflicht, zum Maßstab für Wert und Erfolg. Der Markt wird zum Schlachtfeld, auf dem „jeder gegen jeden“ kämpft, um „auserwählt“ zu sein (nicht mehr von Gott durch Frömmigkeit, sondern vom Markt durch ökonomischen Erfolg).

    Diese beiden Stränge – Arbeit als Strafe und Arbeit als einziges Fundament für Identität und Wert – sind tief in unserem Denken verankert. So tief, dass selbst politische Richtungen, die sich als fortschrittlich und links verstehen, diese „Maloche“ oft als eine Art „Heilige Kuh“ betrachten („Arbeit macht den Menschen“). Dabei meinen sie fast immer nur die formelle, bezahlte, oft industrielle oder Büro-Arbeit. Tätigkeiten wie Erziehung, Pflege, oder auch reines Denken für sich, gelten oft nicht als „echte Arbeit“.

    Die Folgen: Erschöpfung, Entfremdung und die Flucht ins Künstliche

    Wenn Arbeit nur noch Maloche ist, eine Strafe, ein Kampf, eine Entfremdung von Natur und Sinn, dann ist es kein Wunder, dass die Menschen erschöpft und krank werden. Wir leben nicht mehr artgerecht – mental, seelisch und körperlich.

    Diese tiefsitzende Überzeugung, dass wir „Strafarbeit leisten“ müssen und dass unser Wert an ökonomischer Leistung hängt, verhindert, dass wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern können. Wenn dann Rufe wie „mehr arbeiten!“ kommen, zögern viele, zu widersprechen, weil die Idee der „Arbeit“ als etwas Heiliges so tief sitzt. Muße kommt in dieser Debatte schlicht nicht vor.

    „Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“ (1.Mose 3)

    Besonders paradox wird es, wenn die Mächtigen versuchen, die Probleme, die durch diese Entfremdung entstehen, mit denselben Mitteln zu „lösen“, die sie verursacht haben. Echte menschliche Verbindung (die ja eine Form der Muße und Gemeinschaft wäre) wird durch künstliche Welten wie das Metaversum oder „soziale“ Medien ersetzt.

    So sprach Zuckerberg vor einigen Jahren davon, dass Menschen mehr Freunde bräuchten. Diese Freundschaft meint er dann in seinen „sozialen“ Medienplattformen zu schaffen wie Facebook und die berühmten Facebook-Freunde.

    Aber anstatt echte Freundschaft zu fördern, schaffen diese Plattformen oft nur Konkurrenz, Scheinwelten und verhindern am Ende noch mehr den Aufbau echter, nährender Beziehungen.

    Verirrungen des Denkens: Von der Aufklärung bis zur modernen Therapie

    Wie konnte es so weit kommen? Auch die Philosophiegeschichte zeigt hier Fehler. Die Aufklärung, so wichtig sie war, machte einen Fehler, indem sie die Naturwissenschaft und eine rein auf Berechenbarkeit fokussierte Rationalität zum Maß aller Dinge erhob. Man verwechselte technisches Wissen über Abläufe mit echter Vernunft, die auch moralisch urteilt und fragt: Was ist wirklich nützlich und sinnvoll für ein menschliches Leben? Naturwissenschaftliches Wissen allein sagt uns nicht, wie wir leben sollen.

    Viele moderne Philosophen und auch Psychotherapeuten sind in der Gefahr, in diese Falle zu tappen. Wenn sie unkritisch in den Strukturen des Kapitalismus denken – vielleicht unbewusst beeinflusst von den alten religiösen/ökonomischen Prinzipien – dann laufen sie Gefahr, die Menschen dazu zu bringen, sich einfach nur an ein krankes System anzupassen.
    Sie suggerieren den Menschen, dass sie das Problem sind:

    • „Du musst widerstandsfähiger werden!“
    • „Du musst positiver denken!“

    – anstatt die lebensfeindlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände zu hinterfragen. Das ist gefährlich für die Demokratie, weil es die Menschen entpolitisiert und von der Veränderung abhält.

    Muße als Widerstand: Denken, Freiheit, Demokratie

    Echte Philosophie, echtes Denken – das ist Muße. Und diese Muße ist nicht faul! Sie ist aktiv, sie ist neugierig, sie ist kritisch.

    Muße ist das bewusste, selbstbestimmte Nachdenken, das uns erlaubt, die „eingebrannten Strukturen“ des christlich-kapitalistischen Credos zu hinterfragen: die Idee,

    • dass Arbeit Strafe ist,
    • dass Glück in Maloche liegt,
    • dass unser Wert an Leistung hängt,
    • dass Ungleichheit natürlich ist,
    • dass wir die Natur beherrschen müssen.

    Dieses kritische Hinterfragen ist der erste Schritt zur Autonomie, zur Freiheit. Wenn du verstehst, warum etwas so ist, kannst du entscheiden, ob du das willst oder nicht. Du kannst dich innerlich und äußerlich davon lösen.

    Und dieses freie, kritische Denken führt letztlich dazu, dass du dich für das einsetzen willst, was du als richtig erkennst. Für eine gerechtere, menschlichere, lebensfreundlichere Gesellschaft. Das ist die Grundlage für echte Demokratie – nicht nur das Wählen gehen, sondern das aktive Mitgestalten einer Gemeinschaft, die auf Vernunft, Freiheit und Miteinander basiert.

    Die Behauptung, die Welt sei zu „komplex“, damit die einfachen Leute verstehen und verändern können, ist oft nur ein Trick der Mächtigen. Die Idee, dass Menschen, die Unterstützung brauchen, „faul“ sind, ist eine Projektion der Angst, das System der „Heiligen Arbeit“ könnte in Frage gestellt werden.

    Auch unser Bildungssystem ist vor allem darauf ausgerichtet, funktionierende Rädchen für das System zu schaffen, die früh lernen, sich anzupassen und Autorität nicht zu hinterfragen, anstatt freie, kritische Denker zu fördern.

    Zurück zur Muße: Für ein freies und vitales Leben

    Wir müssen den Wert der Muße wieder entdecken. Nicht als Nichtstun, sondern als Raum für echtes Denken, für Kreativität, für menschliche Verbindung, für das Leben im Einklang mit uns und der Natur. Für Arbeit, die sinnvoll und selbstbestimmt ist.

    Das erfordert, die alten, tiefsitzenden Überzeugungen über Arbeit, Glück und Wert zu durchschauen und zu überwinden. Es erfordert Mut, gegen den Strom der „Maloche“ und des Konsums zu schwimmen.

    Aber nur so können wir die Entfremdung überwinden, unsere Erschöpfung heilen und lernen, wieder wirklich frei und vital zu leben. Das ist die wahre Revolution – die Rückkehr zur Muße als Grundlage für ein menschliches Dasein.

    Komm in meine Praxis, nimm Teil an meinen Kursen – und wir erarbeiten uns die Grundbegriffe tiefgreifend und neu. Wie zum Beispiel die Fragen: Was ist Arbeit? Was ist Muße? Ich freue mich auf dich!

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert