Beim Thema Geld geht es um vieles, aber vor allem um die philosophische Frage: ist es gerecht verteilt?
Geld bedeutet Anerkennung und Macht. Da jeder Mensch sein Leben als Teil der Gesellschaft führt, wirken die Aspekte des Ganzen in jede Beziehung hinein. Welche Rolle spielt das Geld in einer Paarbeziehung? Wer bekommt mehr Gehalt und damit gesellschaftliche Anerkennung für das, was er tut? Geld steht für den gesellschaftlichen Status, für den Wert der Arbeit, die man ausführt.
Wer weniger Geld verdient, fühlt sich oft abhängig vom Partner. Meistens ist es die Frau, die entweder schlechter bezahlt wird, weniger schnell Karriere macht oder durch die Betreuung der Kinder weniger erwerbstätig ist. Bewusst sage ich nicht: sie arbeitet weniger, denn die Betreuung der Kinder, die Hausarbeit, die mentale und konkrete Organisation des Alltags ist genauso Arbeit.
Abhängig zu sein, ist kein schönes Gefühl. Daraus entsteht oft ein schlechtes Gewissen und ein Schuldbewusstsein, das zu Minderwertigkeitskomplexen führt. Das Gefühl, dass die eigene Tätigkeit weniger wert ist, greift direkt das Selbstwertgefühl eines Menschen an.
Sich ungerecht behandelt zu fühlen, ist ein Gefühl, das zu großer Wut und Traurigkeit führen kann.
Hier kommen die philosophischen Fragen auf:
- Ist die Bezahlung von Arbeit in unserer Gesellschaft gerecht geregelt?
- Was gilt als Arbeit – nur bezahlte Tätigkeiten?
- Welchen Einfluss hat das Geschlecht auf den Besitz von Geld?
Geld bedeutet Macht und Anerkennung – auch in der Beziehung
Wer mehr verdient, ist mehr wert? Selten sind die Gehälter und Arbeitsverhältnisse eines Paares so ausgeglichen, dass es hier keine Spannungen gibt. Die Ungerechtigkeit der Arbeitswelt führt dazu, dass sich einer der Partner unterlegen fühlt. Das ist ein grundsätzliches Problem. Diese Ungerechtigkeit zeigt sich nicht nur in gesellschaftspolitischen Sichtweisen, sondern ganz konkret im Leben des Einzelnen.
Wenn ein Paar miteinander lebt, kommen diese Probleme in der Beziehung zum Ausdruck. Mag es am Anfang noch keine Rolle gespielt haben, wird das Geld dann zum Problem, wenn das Gefühl, dem anderen nicht gleichwertig zu sein, immer stärker wird. Die Spannungen resultieren aus der Ungerechtigkeit, die einen Menschen abwertet, weil er weniger Geld verdient.
Geld ist oft das größte Tabu in der Beziehung
Aus Scham wird über Geld oft nicht gesprochen, manchmal wissen beide voneinander nicht einmal, was sie verdienen.
Es klingt absurd, aber Geld ist in Beziehungen oft ein größeres Tabu als die Sexualität.
Dahinter steckt die Angst beider Seiten: wer glaubt, mehr zu verdienen, hat genauso Angst, mit der ungerechten Situation umzugehen, wie derjenige, der glaubt, weniger zu verdienen.
Wenn die Partnerin sich zum Beispiel durch ein geringes Gehalt diskriminiert fühlt, schämt sie sich, sucht die Schuld bei sich – und wünscht sich insgeheim, dass ihr Partner sie mit diesem Problem auffängt. Obwohl sie es aus Schamgefühl nicht ansprechen kann, hofft sie, dass ihr Partner das Problem sieht und sie versteht oder mit Anerkennung ausgleicht. Tut der Partner das nicht, überträgt sie ihre Wut, die eigentlich ihrer Diskriminierung gilt, auf ihn und es entstehen Ersatzkonflikte, die emotional stark aufgeladen sind.
Der Mehrverdiener wiederum hat Angst davor, der andere könnte ihn deshalb ablehnen oder erwarten, dass er mehr Geld in die Beziehung einbringt und mehr bezahlt.
Konflikt um die richtige Verteilung: Kinder können das Problem verschärfen
Wird ein Kind geboren, können Probleme auftreten, die vorher noch nicht spürbar waren.
Plötzlich gibt es Gefühle, die man nicht erwartet hat. Neue Abhängigkeiten zeigen sich, die man vielleicht theoretisch geahnt, aber in ihrer praktischen Brisanz unterschätzt hat. Das Rollenverständnis von Vater und Mutter, Mann und Frau, bekommt eine neue Komponente, die schon vorhandene Konflikte verschärft.
Traditionell verändert sich das Leben der Frau am stärksten, da sie meistens den Hauptteil der Elternzeit nimmt, während der Mann oft schnell wieder seiner Arbeit nachgeht. Doch es gibt auch immer mehr Väter, die das Bedürfnis haben, bei ihren Kindern zu bleiben und die traditionelle Vaterrolle zu durchbrechen.
Nun könnte man sagen: Das soll doch jedes Paar für sich selbst herausfinden und regeln, doch genau erfordert schon ein hohes Bewusstsein für die Problematik. Das erste Kind wirbelt die Lebenssituation der Eltern besonders durcheinander und verschärft die ungleiche Lage noch. Konflikte werden jetzt eher stärker als schwächer und zu durchblicken, welche Gefühle sich hier Bahn brechen, ist besonders schwierig.
Die traditionelle Rollenverteilung offenbart die Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft
Was man vorher noch akzeptieren konnte, wird nun zum Zündstoff. Das gesellschaftliche Verständnis der Rollen von Mann und Frau wird jetzt konkret.
Die klassische Verteilung: Der Mann, der das Geld verdient, genießt weiterhin die gesellschaftliche Anerkennung, während die Frau, die die Betreuung des Kindes übernimmt, »nur noch« Hausfrau und Mutter ist.
Wer auf Dauer weniger verdient, entwickelt Minderwertigkeitskomplexe, Scham- und Schuldgefühle. In der Beziehung geh es um Macht, Kontrolle, Ängste und um Anerkennung. Wie soll das Geld, das ungleich verdient wird, verteilt werden? Wer hat das Recht, wie viel Geld auszugeben und wofür?
In die aktuelle Situation spielt auch stark hinein, was jeder aus seiner Kindheit und seiner Familie mitbringt. Welche Erfahrungen hat er als Kind gemacht, ist seine Familie wohlhabend gewesen oder musste sie jeden Pfennig umdrehen? Wenn jemand mit starken Existenzängsten aufgewachsen ist, prägt das seine Haltung natürlich ganz anders als wenn immer genug Geld da war. Im Streit des Paares setzen sich beide automatisch mit der Situation ihrer Familie auseinander. Konflikte ums Geld gehen tief, denn sie greifen unter Umständen die existenziellen Ängste eines Menschen an.
Sich die Ursachen bewusst machen: Wo Schamgefühle sind, werden die Ängste besonders verdrängt
Wenn sich der schwächere Partner nicht traut, seine ursprünglichen Ängste anzusprechen, wird er Ersatzkonflikte finden, um seine Gefühle im Streit auszudrücken. Wenn umgekehrt der stärkere Partner nicht erkennt, worum es dem anderen eigentlich geht, kann er den Konflikt nicht auf das eigentliche Problem zurückführen und es beginnt ein Dauerkreisel der Ersatz-Streitigkeiten. Geht es zum Beispiel darum, dass der eine dem anderen Geiz vorwirft oder umgekehrt Verschwendung, liegen diesen Vorwürfen vielleicht Existenzängste zugrunde oder auch Bestrafungswünsche. „Du beachtest mich nicht genug, ich bekomme von dir nicht genug Anerkennung, also gebe ich das Geld aus, das du verdienst.“
Ich denke nicht, dass es Menschen gibt, die »einfach geizig« oder »verschwenderisch« sind. Philosophisch betrachtet hat alles seine Ursache. Manchmal hilft es schon, wenn das Paar einander besser verstehen lernt, die Ängste des andere und die eigene Struktur durchschauen kann.
Praktikable Lösungen: wie die Konten aufteilen?
Auch wenn die Partner sich ihrer finanziellen Situation sehr bewusst sein, bleiben praktische Probleme bestehen. Wie soll man mit dem Verdienst umgehen, den jeder in die Beziehung einbringt? Dabei gibt es noch die Unterscheidung: regelmäßiger Verdienst und Vermögen, das man bereits in die Beziehung mitbringt. Oder ein ausstehendes Erbe, das einen Partner in der Zukunft viel reicher macht.
Mögliche Kontenaufteilungen – ihre Vor- und Nachteile
Klassisch: das gemeinsame Konto
In diesem Modell geben beide ihr eigenes Konto auf und übertragen alle Einnahmen komplett auf das gemeinsame Konto. Der Vorteil ist hierbei, dass jeder den gesamten Überblick über die finanzielle Situation hat und weiß, was verdient und ausgegeben wird. Das gemeinsame Einkommen sieht mehr aus und kann das Paar stärker miteinander verbinden.
Wenn allerdings schon Konkurrenz und Konflikte vorhanden sind, kann diese Form auch dazu führen, dass sich das Paar voneinander kontrolliert und unfreier in seinen Ausgaben fühlt.
Lieber unabhängig voneinander: getrennte Konten
Wenn jeder sein Konto behält, behält jeder von beiden seinen finanziellen Status. Was jeder mit seinem Geld macht, kann von dem anderen nicht eingesehen werden. Der Vorteil: es kann für beide entlastend sein, einen Teil »eigenes Leben« zu behalten, eine gewisse Freiheit und Unabhängigkeit.
Der Nachteil: es kann sein, dass ein Partner sich mehr »Beziehung« wünscht und diese getrennten Konten zu viel Distanz in der Beziehung bedeuten. Falls einer weniger verdient, könnte er es als ungerecht empfinden, dass der Partner »sein Geld« behält. Besonders wenn Kinder im Spiel sind, und etwa die Frau weniger oder nicht erwerbstätig ist, um die Sorgearbeit zu machen, entsteht ein Gefälle, das für sie nachteilig ist.
Jeder behält sein Konto + ein gemeinsames Konto
Hier kommt es darauf an, welche Rolle das gemeinsame Konto letztlich spielt. Welche Posten überweist jeder von beiden darauf und wird das von beiden als gerecht empfunden?
Der Vorteil: wenn beide ihre eigenen finanziellen Verhältnisse und eine gewisse Unabhängigkeit wahren wollen, kann ihnen ihr verbleibendes eigenes Konto dieses Gefühl geben. Trotzdem haben sie eine Verbindung durch das gemeinsame Konto, von dem Kosten wie Miete, Nahrungsmittel, Benzin und Urlaube bezahlt werden.
Der Nachteil: trotzdem bleiben die Unterschiede und ungerechte finanzielle Verhältnisse erhalten. Die Schwierigkeit bleibt: Wer soll welchen Betrag auf das gemeinsame Konto überweisen? Jeder genau gleichviel oder soll es prozentual auf das Gehalt angerechnet werden? Verdient einer etwa 3000 EUR netto und der andere 1000 EUR netto, was ist dann wirklich gerecht?
Beispielfälle – hier möchte ich euch konkrete Fallbeispiele vorstellen, mit denen ich zu tun hatte
Fall 1 – Ungerechte Verhältnisse
Das Paar hatte sich kennengelernt in ihrer Firma, er hatte als Marketing-Manager von Anfang an etwas mehr verdient als sie im Backoffice. Je länger sie zusammen waren, desto mehr verdiente er, sie blieb in der Höhe ihres Gehalts gleich. Das war kein großes Problem, denn sie hatten schon am Anfang ihrer Beziehung darüber gesprochen, dass ihre Verdienste auf ein gemeinsames Konto fließen und beiden zu gleichen Teilen gehören sollten.
Nach einigen Jahren bekamen sie Kinder und es war aufgrund seines recht hohen Verdienstes möglich, dass sie zu Hause bleiben konnte und er auf Teilzeit ging. Auch das war für beide in Ordnung. So konnte er recht viel bei ihr und den Kindern sein und sie vermisste ihre Arbeit nicht sehr. Was geschah trotzdem mit der Zeit?
Sie bekam auf Dauer das Gefühl, dass es nicht ihr Geld war, das auf ihrem gemeinsamen Konto lag. Und obwohl sie es genauso nutzen konnte wie ihr Mann, bildete sich bei ihr ein schlechtes Gewissen, »sein« Geld auszugeben. Dadurch fühlte sie sich minderwertig und das zeigte sich auch darin, dass sie das Gefühl hatte, ihre Arbeit mit den Kindern erfährt nicht genügend Wertschätzung. Erstens, weil sie gesellschaftlich dafür weniger Anerkennung bekam (»Hausfrau und Mutter«) und zweitens, weil sie eben über längere Zeit kein Geld verdiente, obwohl es für sie eine anstrengende Arbeit war. Und obwohl sie diese Arbeit gern tat und sie für notwendig hielt, baute sie Minderwertigkeitsgefühle auf.
Darüber zu sprechen, war nicht leicht, also zeigte sich der Konflikt auf einer anderen Ebene, meistens darin, dass sich beide an den Kopf warfen, selbst mehr zu tun als der andere. Die Frau fühlte sich nicht genügend anerkannt für ihre Arbeit und zu wenig unterstützt. Der Mann wiederum hatte auch Schuldgefühle, weil er viel arbeiten musste und hier unter Druck stand, gleichzeitig wollte er als moderner Vater auch für seine Kinder da sein. Auch der Mann fühlte sich für seinen dauerhaften Spagat Beruf-Kinder nicht genug anerkannt von seiner Frau.
Beide fühlten sich zu wenig anerkannt in ihrer Tätigkeit
Der Konflikt, der sich stark hochschaukelte, bestand also darin, dass sie ihm mangelnde Anerkennung vorwarf und zu wenig Beachtung ihrer schwierigen Situation als Frau und Mutter; er wiederum warf ihr vor, ihn nicht darin anzuerkennen, was er alles leistete und wie viel Mühe er sich gab, ein guter Verdiener und ein guter Vater gleichzeitig zu sein.
Hier ging es nicht um die Aufteilung des Geldes, sondern darum, diese Problematik herauszuarbeiten und die Wahrnehmung beider für die Situation des anderen zu schärfen. Philosophisch betrachtet resultiert dieser Konflikt hauptsächlich aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, die man sich bewusst machen muss. Eine Mutter, die nicht oder wenig erwerbstätig ist, bekommt kaum gesellschaftliche Anerkennung. Diesen Mangel kann aber der Partner kaum auffangen, besonders weil sich ein Paar diesen gesellschaftspolitischen Hintergrund selten klarmacht.
Die Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft, die Benachteiligung vieler Menschen, besonders der Frauen und Mütter, wird zum Problem in der Partnerschaft. Es hilft ungemein, sich diese Missstände deutlich zu machen. Wenn das Paar lernt, den anderen in seiner Situation auch gesellschaftlich zu verstehen, kann es viel besser mit den Gefühlen umgehen, die man sonst unbewusst auf anderen Ebenen ausagiert. Die Ersatzkonflikte sind dauerhaft nicht zu lösen, wenn nicht die grundlegenden Probleme analysiert werden.
Fall 2 – Plötzlich Eltern
Hier fasse ich schematisch meine Erfahrungen zusammen, die ich bei mehreren Paaren gemacht habe, besonders jüngeren Paaren, die Eltern geworden sind.
Junge Menschen sind in einer Beziehung, arbeiten beide und jeder behält auch sein Konto. Sie teilen sich gemeinsame Kosten, auch wenn einer der beiden weniger verdient, meist die Frau. Wenn sie sich entscheiden, ein Kind zu bekommen, behalten sie diese Situation bei.
Nun ist es meistens so, dass der Mann, wenn überhaupt, zwei Monate Elternzeit nimmt, die Frau den Rest und sie arbeitet auch danach oft nur in Teilzeit weiter. Während der Elternzeit bekommt die Partnerin und Mutter nur das Elterngeld, das ca. 60 % des vorigen Gehalts ausmacht. Dieses Geld gleicht der Partner aber nicht aus. Dazu kommt, dass sie die meiste Zeit mit dem Kind zusammen ist und daher auch die meisten Ausgaben tätigt, Einkäufe vor allem. Sie gibt also wesentlich mehr aus als vorher und auch wesentlich mehr als der Mann.
Jetzt denkt man, ist doch kein Problem, der Mann überweist ihr einfach seinen Anteil. Das klingt logisch, doch in der Realität sieht es oft anders aus. Da das Thema Geld in vielen Beziehungen tabuisiert wird, hat der Mann zwar Geld überwiesen, aber die Frau hat sich nicht getraut, konkrete Forderungen nach der Höhe dieser Überweisung zu stellen, weil sie dachte, sie hätte nicht das Recht dazu. Mütter haben oft noch das Gefühl, für das Kind mehr verantwortlich zu sein als der Vater und denken, sie müssten auch die Kosten dafür tragen. Oft waren die Überweisungen der Väter willkürlich und unregelmäßig, die Mütter hatten das Gefühl, sie müssten eben nehmen, was er zu geben bereit ist. Eine Mutter hat beispielsweise tatsächlich einen Großteil ihres vorher angesparten Geldes ausgegeben.
Bei diesen Fällen zeigt sich deutlich, wie wichtig es ist, das Thema Geld in der Beziehung zu enttabuisieren. Wenn von Anfang an die Ungleichheit nicht aufgefangen wird, kann sich diese Spannung steigern und sich auf anderen Ebenen als Ersatzkonflikt ausdrücken. Diese Konflikte können später so stark werden, dass sogar eine Trennung im Raum steht.
Fall 3 – Aus gleich wird ungleich
In diesem Fall ging es um die konkrete Aufteilung der Finanzen, nachdem das Paar zwei Kinder bekommen hatte. Vorher war es so, dass beide fast genau gleich verdienten, beide arbeiteten vierzig Stunden pro Woche. Als das zweite Kind auf der Welt war, wollte der Vater relativ schnell wieder Vollzeit arbeiten und auch auf seine Elternzeit verzichten. Die Konten des Paares waren komplett getrennt. Auf die Frage, warum der Vater nicht weniger arbeiten wolle, sagte er, dass das Geld ihm wichtig sei und er auch damit etwas ansparen wolle. Doch durch die getrennten Konten blieb das gesparte Geld bei ihm und es war kein »gemeinsames« Erspartes. Er konnte und wollte auch darüber allein verfügen.
Der Mutter hatte es bisher noch nicht viel ausgemacht, dass sie seit den Kindern Teilzeit arbeitete und Elterngeld bekam, da sie sich durch die frühere ausgeglichene Situation beim Geld nicht benachteiligt fühlte. Doch jetzt, mit dem zweiten Kind, begann sie die Haltung des Vaters zu hinterfragen. Sie selbst konnte nicht mehr einer Vollzeitstelle nachgehen, denn einer von beiden musste die Kinder von der Kita abholen und nachmittags für sie da sein. Sie hätte sich gewünscht, dass beide nicht mehr in Vollzeit arbeiteten, sondern durch gleiche Teilzeitarbeit die Arbeit mit den Kindern gerecht aufteilten.
Ein gemeinsames Konto, auf das alle Einnahmen eingingen, wollten beide nicht. Der Vater war nicht dazu zu bewegen, dass er seine Vollzeitarbeit reduzierte. Auf die Nachfrage, warum nur die Mutter auf ihre Vollzeitstelle verzichten solle, sagte er, dass die Kinder vorwiegend der Wunsch der Mutter gewesen seien. Die Mutter gab das auch zu, doch sie argumentierte, dass er die angenehmen Seiten der Vaterschaft sehr wohl für sich entdeckt hätte. Der Stolz, Kinder zu haben, und mit ihnen zu spielen, wenn er das wollte, wären ja für ihn auch Vorteile. Das gab er zu, trotzdem blieb er fest in seiner Haltung.
Am Ende konnte ein Kompromiss gefunden werden: ein drittes Konto, ein gemeinsames, auf das jeder prozentual zu seinem Einkommen einen Betrag überwies, mit dem alles, was alle gemeinsam oder die Kinder betraf, bezahlt wird.
Fall 4 – das ausstehende Erbe
Wie sehr kann ein ausstehendes Erbe die Beziehung belasten? Stell dir vor, du bist eigentlich recht zufrieden mit deinem Job und deinem Gehalt, baust dir langsam auch ein kleines finanzielles Polster auf. Dann lernst du jemanden kennen, der ähnlich wie du oder weniger verdient, eure Rücklagen sind auch ähnlich. Eure Beziehung startet und ihr habt zunächst auch keine Probleme durch ungleiche Gehälter, du bist vielleicht sogar stolz darauf, dem anderen finanziell unter die Arme zu greifen und deinen »Überschuss« zu teilen.
Eines Tages erfährst du, dass der andere aus einer wohlhabenden Familie kommt und ein für dich sehr großes Erbe auf ihn wartet, das in den nächsten Jahren auch aktuell werden könnte. Wie fühlst du dich?
- Mir komplett egal. Das Leben ist halt ungerecht.
- Puh, das ist schon schwierig, wenn der andere dann plötzlich so reich ist, das kratzt an meinem Selbstbewusstsein.
- Ich würde erwarten, dass er sein Vermögen vertrauensvoll für uns beide anlegt und mir das Gefühl gibt, dass wir es zusammen haben.
Philosophisch betrachtet kommen wir hier ganz zentral zu dem Punkt der gerechten Verteilung. Über das Erbschaftsrecht wurde schon viel diskutiert. Der Ökonom Alexander von Rüstow sprach sich in der Nachkriegszeit dafür aus, dass es eine hundertprozentige Erbschaftssteuer geben solle. Alle Erbschaften sollten in einen großen Topf kommen und daraus gleichermaßen jedes Kind bei der Geburt einen Teil »erben«. So wäre ein Kind nicht mehr davon abhängig, was seine Eltern erwirtschaftet haben in ihrem Leben, denn für ein Kind bedeutet das lediglich Glück oder Pech, ob es etwas zu erben gibt oder nicht, es hat nichts mit seiner »Leistung« zu tun.
Während sich ein eigenes Vermögen doch erst langsam aufbauen muss, auch bei einem guten Einkommen, bedeutet ein Erbe plötzlicher Reichtum, der in das Leben eines Menschen tritt. Viel Geld auf einen Schlag, das nur einem Menschen in einer Paarbeziehung gehört, kann zu großen Spannungen führen. Geld bedeutet immer auch Macht und Unabhängigkeit. In einer Beziehung hat der Erbe von heute auf morgen einen ganz neuen gesellschaftlichen Status. Wo vorher die Lage ausgeglichen war oder vertrauensvoll aufgebaut wurde, wird jetzt ein Partner aus Sicht des anderen in schwindelnde Höhen katapultiert. Wenn kein starkes Selbstbewusstsein vorhanden ist, kann das zu heftigen Spannungen führen. Derjenige, der kein Erbe bekommt, fühlt sich stark benachteiligt und hat das Gefühl, den anderen in puncto Geld nicht mehr erreichen zu können.
Fazit
Die philosophische Frage nach der Gerechtigkeit ist bei jedem Konflikt und bei jedem Lösungsmodell enthalten. Was am Ende für ein Paar die beste Lösung ist und mit welchem Modell beide am zufriedensten leben können, muss stets konkret herausgearbeitet werden. Hier gibt es kein richtiges oder falsches Modell, hier kommt es auf die persönlichen Erfahrungen und Gefühle an, die beide mitbringen.
Wenn du ähnliche Erfahrungen gemacht hast oder deine Situation wiederfindest und darüber mit mir sprechen möchtest, nimm gerne Kontakt zu mir auf. Ich freue mich, von dir zu hören.
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