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Wer schreit, hat Unrecht – stimmt das?

    Warum Wut ein sinnvolles Gefühl sein kann

    Wütende Menschen werden oft nicht ernst genommen. „Wer schreit, hat Unrecht.“ Das, was sie inhaltlich sagen oder fordern, spielt keine Rolle.

    Gelassene und souveräne Menschen werden dagegen als überlegen wahrgenommen. Warum ist das so?

    Wut ist zunächst ein Gefühl, das seine Berechtigung hat. Wer wütend wird, fühlt sich meist hilflos oder unterlegen. Wut darf herausgelassen werden und kann auch dazu führen, dass andere Menschen einen überhaupt erst wahrnehmen.

    Wut ist Anstoß zur Veränderung

    Wut kann dazu führen, dass man aktiv wird und sich für seine Belange einsetzt. In diesem Sinne ist Wut ein sehr wichtiges Gefühl. Politisch kann Wut dazu führen, dass Menschen ihre Forderungen laut werden lassen. Wut führt in diesem Sinne zum Mut, dem Mut, politische Veränderungen anzustoßen.

    Es ist ein weitverbreitetes Missverständnis, dass Wut und Ärger automatisch bedeuten, dass die Person Unrecht hat. In der Tat kann Wut ein wichtiges Signal dafür sein, dass etwas nicht stimmt und dass eine Person berechtigt ist, sich darüber zu ärgern.

    Gerade Frauen sind oft zu leise, und wenn sie wütend werden, ist das gesellschaftlich nicht angesehen. Sie gelten dann als hysterisch.

    Wut ist Teil einer Veränderung, es ist ein „sich Luft machen“, ein zu sich stehen.

    Wut im Übermaß kann zu Gewalt führen. Das ist falsch. Wut darf nicht dazu führen, dass man sie als Stärkerer an Schwächeren auslässt. Doch die Verurteilung von Wut führt genau dazu, dass man sie unterdrückt, solange man kann, und dann wird sie um so stärker und verletzender.

    Wut darf sein. Sie darf ausgedrückt werden. Und sie zeigt weder, dass jemand Unrecht hat - noch, dass jemand Recht hat. Sie zeigt erst einmal nur, wie jemand sich fühlt.

    Wütende Menschen fühlen sich meistens unterlegen und sehen keine andere Möglichkeit gehört zu werden, außer wütend zu werden. Wut kann natürlich auch verletzend werden, besonders in persönlichen Beziehungen. Aber sie kann auch absolut notwendig sein, wenn man dadurch die Kraft findet, sich zu wehren und für seine Belange einzustehen.

    Das gilt auch für den politischen Bereich, hier nimmt Wut eine notwendige Funktion ein, wenn sie Menschen dazu befähigt, ihre Forderungen stark zu machen und sich für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Ohne Wut wären viele dazu vielleicht nicht fähig, weil ihre ängstlichen Gefühle überwiegen.

    Im persönlichen Streit kann Wut natürlich dazu führen, dass man unsachlich wird und andere verletzt. Trotzdem ist es auch hier wichtig, Wut zeigen zu dürfen.

    Klare Grenzen gibt es natürlich auch: Wut darf nicht dazu führen, dass der Stärkere den Schwächeren unterdrückt und einschüchtert.

    Gesellschaftliche Gründe für Wut

    Wenn jemand wütend ist, gibt es Gründe dafür. Wut bedeutet weder, dass jemand sachlich Recht hat, noch dass er im Unrecht ist. Wichtig ist, jemanden immer ernst zu nehmen, egal ob er seinen Standpunkt wütend oder gelassen äußert.

    In unserer Gesellschaft gibt es starke Hierarchien und Klassen. Macht erzeugt Ohnmacht. Schon in der Schule haben Lehrer*innen Macht über ihrer Schüler*innen. Im kapitalistischen Arbeitsleben erfahren wir oft Unterdrückung und Mobbing. Ohnmacht erzeugt Wut. Ungerechte Behandlung, gegen die man sich nicht wehren kann, erzeugt Wut. Diskriminierung erzeugt Wut. Wut und Aggression können sinnvolle Wege finden, indem Menschen sich dafür einsetzen, dass diese Umstände sich verändern. Aber Wut kann auch zur inneren Wut und Aggression führen, die Menschen veranlasst, sich selbst abzulehnen.

    Je klarer wir uns über die Gründe unserer Wut werden, desto sinnvoller können wir damit umgehen.

    Wut in Beziehungen

    In Beziehungen ist es deshalb notwendig, auch wütend sein zu dürfen. In Paarbeziehungen oder in der Beziehung von Eltern zu Kindern, ja auch in Freundschaften, sollten wir fähig sein, dieses Gefühl zum Ausdruck zu bringen. Natürlich nicht in einem Maße, das einschüchternd oder gar gewalttätig wirkt.

    Wichtig ist, sie im Nachhinein zu besprechen und Konflikte zu lösen. Doch so zu tun, als hätte man nie Wut, als dürfte man dieses Gefühl nicht haben, führt nur dazu, dass wir eine falsche Rolle spielen. Wir verdrängen und sammeln damit erst recht unsere Wut an. Eventuell kommt es dann zu einem Knall, zu einer Explosion oder zu einer Übersprungshandlung, die wir hätten verhindern können.

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